Einen unmittelbaren Einfluss und damit eine besondere Bedeutung für das Ausmaß der Hochwasserabläufe und der Hochwasserstände in und an den Gewässern haben die natürlichen Überflutungsräume (Retentionsräume). Die Effekte der „Retentionswirkung“ entsprechen qualitativ denen renaturierter Gewässerabschnitte bzw. sind Ausdruck der Abflussbildung in naturnahen Auen.
Der natürliche Wasserrückhalt in naturnahen Gewässerabschnitten und die Ausuferungsmöglichkeit in die Aue dämpfen den Hochwasserscheitel. Die Hochwasserwelle wird verzögert und verläuft nicht so steil und ungebremst wie in Einzugsgebieten, die ihrer natürlichen Retentionsflächen weitgehend beraubt wurden.
Die Erhaltung der „natürlichen Rückhalteräume“ bzw. deren Aktivierung – im Einzelfall auch „Rückgewinnung“ – sind also Gebote, den Hochwasserablauf positiv zu beeinflussen.
Das Land Hessen hat die Verfügbarkeit von Retentionsräumen an Gewässern untersucht: Im Rahmen des Projektes „Niederschlagsgebietsweise Erfassung der natürlichen Retentionsräume in Hessen“ (Retentionskataster Hessen– Projekt RKH) wurden seit Mitte der 1990er-Jahre an den wesentlichen Gewässerstrecken in Hessen mit rund 5.000 km Gesamtlänge u.a. diese Gebiete systematisch erfasst.
Die an den hessischen Gewässern heute noch vorhandenen Retentionsräume müssen in ihrem Bestand erhalten bleiben, zusätzliche Räume sind zu aktivieren oder zu reaktivieren.
Die noch vorhandenen Überflutungsräume sollen dort wo möglich, aufgeweitet oder in ihrer Wirkung für den Hochwasserrückhalt mittels konstruktiver Maßnahmen aktiviert werden können. Diese Gebiete werden als potenzielle Retentionsräume bezeichnet. Bei dem Kataster handelt es sich um eine insbesondere an die Kommunen und die Wasserverbände gerichtete Angebotsplanung mit dem Ziel der Realisierung. In dem Kataster werden auch die umgesetzten Maßnahmen erfasst. Es besteht damit die Möglichkeit, das Kataster jederzeit – auch mit Maßnahmen außerhalb der im Projekt RKH untersuchten Gewässerstrecken– zu ergänzen.
Bislang wurden Erweiterungsmöglichkeiten der heutigen Überflutungsräume mit einem Gesamtvolumen von rund 27,7 Millionen m³ Inhalt auf einer Erweiterungsfläche von etwa 26,5 km² ermittelt. Zudem wurden innerhalb der bestehenden Überschwemmungsgebiete weitere ca. 12,2 Millionen m³ auf ca. 27,2 km² Fläche ermittelt, die für den Hochwasserrückhalt wirksamer eingesetzt werden könnten. Bislang wurden an Maßnahmen innerhalb der Überschwemmungsgebiete insgesamt etwa 2 Millionen m³ Volumen auf ca. 5,2 km² Fläche realisiert.
Im Rahmen des Förderprogramms zum kommunalen Hochwasserschutz werden grundsätzlich auch weiterhin diese Maßnahmen als vorbeugende Hochwasserschutzmaßnahmen zur Aktivierung von potenziellen Retentionsräumen gefördert.